Missbrauch, sexuelle Übergriffe und Sexismus – eine Welle geht durch die Gaming-Industrie. Immer mehr Fälle treten ans Tageslicht, die ein düsteres Bild der Branche zeichnen. „Saftiges Gnu“, eine der größten, deutschen Gaming-YouTuberinnen, erklärte MeinMMO-Redakteurin Leya Jankowski, wie es zu diesen Übergriffen im Gaming kommt.
Juni 2020: Der Destiny-2-Streamer „SayNoToRage“ wird von Twitch gebannt und lässt seine 168.463 Follower zurück. Der Grund sind Vorwürfe von sexueller Belästigung. Er soll junge Frauen auf Events bedrängt und angefasst haben. Bungie, das Entwicklerstudio hinter Destiny 2, distanziert sich vom Streamer und beendete die Zusammenarbeit.
Dieser Vorfall löste eine Welle aus, die nun schwer über die Gaming-Branche hereinbricht. Seit Wochen melden sich mehr und mehr mutmaßliche Opfer über Social Media und teilen Erfahrungen von Missbrauch in der Branche. Ein Auszug:
- die beliebte WoW-Gilde Method brach an einem Vorwurf der Vergewaltigung zusammen
- die Pro-Szene des kinderfreundlichen Kampfspiels Super Smash Bros. geriet in die Kritik. Ein junger Mann berichtet, wie er als 14-jähriger von einer erwachsenen Spielerin und Kommentatorin zu sexuellen Handlungen manipuliert worden sei
- ein Insider-Bericht zeigt eine finstere Seite von Ubisoft, einer der größten Gaming-Publisher der Welt. MitarbeiterInnen berichten von systematischem Sexismus und Machtmissbrauch im Unternehmen. Serge Hascoët, einer der großen Köpfe hinter Ubisoft, musste deshalb gehen.
Jasmin ist eine der YouTuberinnen und Streamerinnen, die sich jetzt zu den Missständen in der Branche geäußert hat. Die junge Frau ist ihren Fans als „Saftiges Gnu” bekannt. Auf ihrem YouTube-Kanal hat Jasmin 670.000 Abonnenten und auf ihrem Twitch verzeichnet sie über 132.000 Follower. Damit gehört sie zu Deutschlands größten Persönlichkeiten im Gaming. In einem Interview mit dem SPIEGEL erzählte Jasmin, wie sie zu Beginn ihrer Karriere in einer Spiele-Redaktion belästigt wurde, was sogar zum Verlust dieser Arbeitsstelle führte.
Als ich das Interview las, stellten sich mir mehr Fragen zu dem Thema. Ich bat Jasmin um ein Einzelgespräch für MeinMMO.
MeinMMO: In unserem Vorgespräch haben wir darüber geredet, dass du in einer Gaming-Redaktion deine Karriere in der Branche starten wolltest und damals von einer Führungsperson belästigt wurdest. Deine Beschwerden darüber wurden jedoch nicht ernst genommen.
Ich fragte mich sofort, was das eigentlich in dir ausgelöst hat? Was macht sowas mit einem Menschen?
Jasmin: Mich hat das natürlich total geärgert. Ich war in der Situation einfach hilflos. Ich habe immer wieder gesagt, dass ich das nicht möchte. Der hat mich zum Beispiel immer wieder in sein Büro gerufen und wollte irgendwelche Kung-Fu-Techniken an mir testen. Ich habe immer wieder deutlich gesagt, dass ich sowas nicht möchte. Als ich mich dem Zweit-Chef anvertraute und über die Missstände sprach, wirkte er damals verständnisvoll. Er sagte, dass er das total krass fände und auch verstehen würde, dass mich das ärgere. Ich habe mich dann direkt geborgen und verstanden gefühlt und glaubte, er würde mir helfen. Ich setzte damals eine Mail [an den Chef] auf, mit dem Zweit-Chef im CC, in der ich die Probleme nochmal direkt ansprach. Das war so mit dem Zweit-Chef abgesprochen.
Darauf kam dann aber gar nichts mehr zurück. Die beiden hatten damals zu zweit ohne mich gesprochen. Ich denke mal, wie das dann oft so ist, wurde das alles irgendwie verharmlost. Es hieß, ich habe das alles sowieso vollkommen falsch verstanden und dass das mit der Belästigung so gar nicht stimme. Er hat dann im Endeffekt doch lieber seinem besten Kumpel geglaubt, als irgendeiner hysterischen Frau.
„Man ist selbst wie gelähmt“
MeinMMO: Ich glaube, du warst da noch ein bisschen jünger, wo man selbst vielleicht unsicher ist, wie man mit sowas überhaupt umgeht?
Jasmin: Ich war damals 20 bis 21 Jahre und jetzt würde ich da natürlich ganz anders durchgreifen. Aber ich habe auch schon mit vielen anderen Kolleginnen darüber gesprochen. Man redet sich in solchen Momenten oft ein, dass das eigentlich alles so gar nicht wahr sein kann. Ich habe von anderen Kolleginnen schon Sachen gehört, die so krass sind, wo ich selbst auch dachte, dass sie da doch eigentlich hätten eingreifen müssen.
Man ist dann aber wie gelähmt und man denkt sich, dass man übertreibt und dass der das sicher nicht ernst gemeint haben kann. Genau das sind aber die Momente, in denen man sich selbst nochmal besonders hinterfragen muss. Man muss überlegen, ob man sich jemanden anvertraut und nicht alles unter den Teppich kehrt.
„Ich glaube, dass sich viele Frauen damit abgefunden haben“
MeinMMO: Das ist gerade sehr interessant, was du sagst. Wir reden jetzt über das Thema, weil viele Fälle auf Twitter gemeldet wurden. Viele Frauen und auch teilweise junge Männer haben sich hier ausgesprochen. Da habe ich oft in den Kommentaren gelesen, dass sich einige wundern, warum sich jemand erst viele Jahre nach dem angeblichen Missbrauchsfall meldet. Kommt das daher?
Jasmin: Ich habe diese Geschichten jetzt erst angefangen zu erzählen, weil ich gefragt worden bin. Ich habe als Frau irgendwann resigniert und dachte, dass das wohl einfach dazu gehört. Ich glaube, dass sich viele Frauen damit abgefunden habe. Deswegen finde ich diese Bewegung gerade sehr interessant und gut, dass man mal darüber spricht.
Klar, muss man auch aufpassen, welche Geschichten wahr sind und welche nicht. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass einige ganz tief in die Kiste gegriffen haben, um irgendwie mitreden zu können und sich interessant zu machen. Aber ich denke, dass da eben auch sehr viele Frauen mit bei sind, die sich jetzt erst trauen etwas zu sagen. Weil, im Endeffekt denkt man, so wie ich auch, dass sich eh nichts ändert. Man überlegt dann schon: “Wenn ich etwas sage, werde ich gehen müssen, weil mir nicht geglaubt wird.”
Das ist diese Hilflosigkeit und man denkt sich: „Es bringt ja eh nichts.”
MeinMMO: Ich würde gerne nochmal auf das Interview mit dem SPIEGEL zu sprechen kommen. Du hast dort die sogenannte Kumpel-Kultur erwähnt. Wodurch äußert sich deiner Meinung nach diese Kumpel-Kultur und wieso ist die anscheinend so stark in der Gaming-Branche vertreten?
Jasmin: Ich kann nur von den Firmen sprechen, für die ich gearbeitet habe. Das waren dann oft Unternehmer, die schon vor der Gründung gut befreundet waren. Oder es gibt den Chef und den Zweit-Chef, die sich sowieso gut verstehen. Da kommen dann anscheinend oft die Situationen, dass man dann unter Männern zusammenhält und den Frauen unterstellt wird, dass die nur übertreiben.
Es gibt natürlich auch Frauen, die Dinge behaupten, um Männern zu schaden. Das darf man nicht außer acht lassen. Da halten die Geschlechter dann einfach zusammen, denke ich.
Gerade, wenn man dann gemeinsam eine Firma gegründet und einen tollen Geschäftspartner hat, mit dem es gut läuft, möchte man den natürlich nicht abmahnen oder rausschmeißen, weil der sich mal nicht im Griff hat. Da wird dann vielleicht mal ermahnt, dass der Kollege sich im Griff halten soll, aber nach meinen Erfahrungen hat das langfristig nie geholfen.
Im Endeffekt war es bei mir ja auch so, dass ich endlich offensiv sein und was erreichen wollte und am Ende war ich diejenige, die rausgeschmissen wurde.
„Damals habe ich nichts gesagt, weil ich Angst hatte“
MeinMMO: Da blutet mir selbst ein wenig das Herz, wenn ich das so höre. Du hast dich glücklicherweise von dieser Erfahrung nicht abschrecken lassen und bist deinen eigenen Weg gegangen. Du hast dein zu Hause auf Twitch und YouTube gefunden.
Du hast angedeutet, dass das damals nicht der einzige Fall war, dass sich jemand respektlos oder anzüglich dir gegenüber verhalten hat. Wie bist du im Laufe deiner Karriere damit umgegangen?
Jasmin: Tatsächlich war es problematisch, als ich noch nicht so eine große Reichweite hatte. Da kamen mehr Creator auf mich zu, die mir unmoralische Angebote gemacht haben. Als ich also noch kleiner war, hatten sie keine Bedenken, dass ihnen das zum Verhängnis werden könnte, weil mir eh keiner geglaubt hätte.
Die Änderung kam dann als ich mehr Reichweite hatte. Da kamen dann nur noch blöde Angebote aus dem Internet, aber nicht mehr von den Creatorn. Ganz im Gegenteil, ich hatte viel mehr den Eindruck, dass die Leute plötzlich viel mehr Respekt hatten und eher ehrfürchtig waren nach dem Motto: “Oh Gott, jetzt ist die groß geworden, hoffentlich sagt die nichts.”
Damals habe ich nichts gesagt, weil ich Angst hatte. Mir wurde teilweise von Creatorn mit größerer Reichweite gedroht, dass ich bloß aufpassen solle. Heute würde ich schneller den Mund aufmachen.
Berechtigterweise fragen sich Leute heute, warum ich erst jetzt darüber rede. Das hat oft damit zu tun, dass man Angst hat und auch nicht die Konsequenzen tragen möchte, dass andere einem etwa Hate-Nachrichten schreiben. Es wird einem oft unterstellt, dass man nur Aufmerksamkeit und Fame will und dass man dann doch Namen nennen soll. Ja, warum nennt man nicht die Namen? Weil man eben Angst vor den Konsequenzen hat.
So kam Jasmin in die Gaming Branche: Gaming nur ein Trend? Nicht für Saftiges Gnu! Schon seit ihrer Kindheit verbrachte sie viel Zeit mit Games und hat ein großes Herz für virtuelle Spielwelten. Diese Erfahrungen nahm sie mit in ihr Studium, schloss ihren Master mit Schwerpunkt auf Gaming ab und machte Videospiele zu ihrem Beruf. Am bekanntesten ist Saftiges Gnu aber mit ihrem YouTube-Kanal, mit dem sie dank Fortnite Battle Royale 2018 ihren Durchbruch schaffte. Seit 2019 ist sie auch auf Twitch zu finden und nimmt ihre Fans dort mit auf ihre Abenteuer. Zur ihrem Lieblingsgenre zählen vor allem Horrorspiele.
„Viele Frauen machen das auch freiwillig“
MeinMMO: Ich wusste gar nicht, dass es da so eine Kultur gibt, kleinere und junge Streamerinnen zu bedrohen. Das höre ich in der Form zum ersten Mal.
Jasmin: Ich sage immer, jeder kann machen, was er möchte. Man muss dazu nämlich auch sagen, dass diese Content Creator oft ein “Ja” zu hören bekommen. Viele Frauen machen das auch freiwillig. Die Content Creator geben den kleineren Streamerinnen einen Push und umgekehrt geben die Frauen ihre Leistung, wie auch immer die dann aussieht. Deshalb muss ich immer sagen, dass es scheinbar gut funktioniert. Sonst würde man als Frau mit kleiner Reichweite vermutlich auch nicht so viele Angebote bekommen.
Wenn diese Frauen das machen wollen, das ist ja vollkommen in Ordnung. Aber ich finde, das darf man nicht auf jede Frau projizieren und dann sagen, dass man sie fertig macht, wenn sie auf diese Angebote nicht eingeht.
MeinMMO: Du meinst also, dass jemand schon unterscheiden können muss, ob eine Frau das gerne als freiwillige Leistung macht oder sie das eben nicht möchte?
Jasmin: Ja, ich finde es jetzt auch blöd, wenn man alle Männer verteufelt und sagt: „Wie können die nur?“ Es geht natürlich gar nicht, dass mir jemand droht, aber es muss eben auch oft genug funktioniert haben. Sonst würden sie es ja nicht immer wieder so offensichtlich probieren und jetzt reden alle darüber, weil einige vielleicht „Nein“ gesagt haben, aber im Vergleich haben anscheinend genug „Ja“ gesagt.
„Aber nimm deine hässliche Freundin nicht mit“
MeinMMO: Da möchte ich jetzt mal auf einen Punkt zu sprechen kommen und zwar die Branchen-Events. Was mir bei diesen ganzen Meldungen über Social Media aufgefallen ist, dass viele Berichte anfingen mit: „Ich war auf dem Event und da ist was passiert.“
Nun weiß ich, dass du über deinen Job auf vielen Events unterwegs bist, ähnlich wie ich. Ich war auf vielen Presse-Events, auf denen auch YouTuber und Streamer waren. Mir ist da aufgefallen, dass diese Events oft einfach große Partys sind, mit vielen jungen Leuten, wo auch viel Alkohol getrunken wird. Glaubst du, dass die Kultur dieser Branchen-Events problematisch ist?
Jasmin: Ja, gerade als ich noch kleiner war. Da kamen dann öfter Typen auf mich zu, die mit ihrer Reichweite prahlen und sagen, dass man doch mal was zusammen aufnehmen könnte. Die Mädels denken dann vielleicht, dass das ziemlich cool ist um ihre eigene Reichweite zu pushen. Dann trauen sie sich vielleicht auch nicht „Nein” zu sagen, weil sie sich selbst in eine Abhängigkeit begeben. Das habe ich oft auf Events beobachten dürfen. Wenn diese Frauen einen Push bekommen, dann fühlen sie sich irgendwie in der Schuld gegenüber des Mannes.
Ich erinnere mich noch gut an ein Event, als ich noch ganz, ganz klein war. Da kam ein Creator zu mir und hat sich mit mir an die Bar gestellt und erzählt, wie toll er ist. Der wollte dann meine Nummer haben, damit man sich noch hinterher verabreden kann und meinte: „Aber nimm deine hässliche Freundin nicht mit.“ Da habe ich mir auch nur gedacht: „Du Schwein.”
Was ist ein Reichweiten-Push? Der Marktwert eines Influencers wird großteils über seine Reichweite gemessen. Je mehr Follower ein Influencer etwa auf Instagram, Twitter, YouTube oder Twitch hat, umso wertvoller ist die Marke hinter der Person. Ein gängiger Weg, seine eigene Reichweite zu steigern, ist es, zusammen mit größeren Influencern in der Öffentlichkeit aufzutreten. Das kann daraus bestehen, auf Social Media von einem größeren Influencer verlinkt zu werden oder zusammen in einem Video/Stream des größeren Influencers aufzutauchen. Die Follower des Influencers sehen, dass man mit dem Idol zu tun hat und in der Regel erhält man so einen Teil der Follower für sich selbst. Die Influencer aus den hier geschilderten Erfahrungen, bieten kleinen YouTuberInnen und StreamerInnen genau so einen Reichweiten-Push gegen eine (sexuelle) Gegenleistung an.
„Je jünger und unerfahrener, umso größer kann eine Abhängigkeit werden”
MeinMMO: Wir haben uns schon darüber unterhalten, dass du selbst noch schneller eingeschüchtert warst als du jünger warst. Glaubst du, dass es ein Problem ist, dass hier so viele so jung anfangen? Die meisten sind Teenager oder gerade Anfang 20, wenn sie mit YouTube oder Twitch anfangen und dann kommen einige plötzlich schon auf diese großen Events.
Jasmin: Ich glaube schon, ja. Da fällt mir gerade sogar passenderweise was zu ein. Ich war vor etwa vier Jahren, als ich noch ganz klein war, auf einem Event von einer großen Firma. Da gab es eine Business Lounge und da war ein Mitarbeiter der Firma mit Einfluss, der meinte dann so: “Hey, kann die Hübsche da nicht rüberkommen zu uns in die Business Lounge?”. Der hat mich dann einfach vollgelabert, weil der wusste, dass ich jung und unerfahren bin und die macht auch noch YouTube, da kann man doch bestimmt ein Abhängigkeitsverhältnis herstellen.
Ich hatte aber gar kein Bock auf den und der kam die ganze Zeit damit, dass er doch so viel Geld verdiene und hat einen auf dicke Hose gemacht. Da wusste ich schon sofort, dass ich einfach schnell weg da muss. Aber klar, wenn da eine drauf anspringt, ist das dann der Jackpot und sie probieren es einfach. Je jünger und unerfahrener, umso größer kann eine Abhängigkeit werden – aber auch hier nochmal die Betonung darauf, dass es oft genug zu funktionieren scheint.
In der gesamten Debatte werden die Männer oft als Buhmänner dargestellt und natürlich ist es großer Mist, wenn Frauen missbraucht und belästigt werden. Ich weiß nur aus genug Gesprächen, dass es sehr oft funktioniert.
Update 29.09.2020: Jasmin veröffentlichte nach dem Interview ein Statement auf ihrem YouTube-Kanal, in dem sie das Thema in noch mehr Kontext setzt. Das Statement geht darauf ein, dass Frauen nicht “selbst schuld” sind, wenn sie belästigt werden. Genauso erfahrt ihr mehr über die teilweise toxische und beleidigende Internet-Kommentar-Kultur Frauen gegenüber im Gaming. Da das Video thematisch gut zu dem Interview passt, haben wir uns entschieden es im Nachgang einzubinden.
Jasmins Statement zu Belästigung von Frauen im Gaming:
„Es ist wirklich viel wert, wenn du als Frau sagen kannst, dass du auch eine Reichweite hast“
MeinMMO: Glaubst du, dass es bei diesen jungen Frauen ein Problem ist, dass sie teilweise noch zu naiv aus Unerfahrenheit heraus sind, um zu verstehen was solche Aktionen für Konsequenzen haben können?
Jasmin: Ich denke schon, dass sie manchmal noch zu naiv sind um zu checken, dass einige Männer nicht einfach nur nett zu ihnen sind. Sie verstehen noch nicht, was diese Männer wirklich wollen. Das ging mir früher auch so, dass ich dachte: „Wow, sind die alle nett zu mir.“ und meine Mutter nur zu mir meinte: „Wow, bist du dumm.“
Ich habe sicher auch einige Kontakte länger gehalten als nötig, weil ich selbst keine Hintergedanken hatte. Ich war zu dumm und naiv zu verstehen, dass mich das alles in sehr unangenehme Situationen hätte bringen können. Jetzt wo ich selbst älter bin und meine Reichweite habe, wurde ich nie wieder doof angemacht auf Events. Aber jetzt kennen einen die Leute dann auch und wissen, dass es schnell sehr peinlich für sie werden könnte, wenn sie mir dumm kommen.
Das ist wirklich viel wert, wenn du als Frau sagen kannst, dass du auch eine Reichweite und was zu sagen hast. Vielleicht ist deshalb auch der Wunsch nach dieser Reichweite bei jungen Frauen so groß, dass sie teilweise Dinge machen, die sie später mal bereuen.
Es ist besser eine Warnung an junge Menschen auszusprechen, anstelle einfach alle Männer zu verurteilen
MeinMMO: Hier bin ich selbst etwas zwiegespalten, ehrlicherweise. Man hat eine gewisse Eigenverantwortung und man kann sagen, dass man blöd und unerfahren war. Aber wenn ein junges Mädchen, vielleicht im Alter von 18, das freiwillig mitgemacht und sogar irgendwelche sexuellen Gegenleistungen erbracht hat. Dann kommt diese auf einmal 5 – 10 Jahre später an und sagt, sie wurde damals nur manipuliert und jetzt ist der andere daran Schuld. Wie siehst du das?
Jasmin: Das denke ich allerdings auch oft. Ich habe letztens einen tollen Film gesehen, Bombshell (Link führt zu IMDb) auf Netflix. Da war es im Prinzip genauso. Da hat eine Moderatorin ihre Stelle nur bekommen, weil sie vor 15 Jahren etwas gemacht hat und sich nicht getraut hat, darüber zu sprechen. Die ist im Film aber letztendlich so damit umgegangen, dass sie sich irgendwann geöffnet hat. Sie hat aber dazu gesagt, dass sie mit dafür verantwortlich ist und sich heute schämt, weil sie doof und naiv war.
Ich glaube, es ist dann auch wichtig sich selbst einzugestehen, dass man früher vielleicht dumm gehandelt hat und es heute nicht mehr wieder tun würde. Da ist es besser eine Warnung an junge Menschen auszusprechen, anstelle einfach alle Männer zu verurteilen.
MeinMMO: Wir haben jetzt viel darüber gesprochen, wie es zu solchen Missständen kommen kann und junge Frauen oder auch junge Männer mit Missbrauch konfrontiert werden. Was müsste sich in der Branche ändern, um das zu bekämpfen?
Jasmin: Das ist wirklich eine schwierige Frage, weil es sich im Prinzip auf alles bezieht. Egal wo ich war, es gab immer Probleme mit sexueller Belästigung. Ob es nun bei Lehrern in der Schule war, bei meinen Jobs, bis hin zu YouTube oder auch auf der Straße. Ich glaube, das kennt jede Frau, dass man immer wieder Berührungspunkte damit hat.
Da habe ich gerade keinen Lösungsansatz, ich kann nur ein tolles Beispiel nennen. Generell bei Beleidigungen oder Belästigungen im Internet bauen gerade Moderatoren von Twitch auf Discord so ein Netzwerk auf, da sind um die 70 Leute drin. Wenn ich jetzt beispielsweise in meinem Chat sexuell belästigt oder beleidigt werde und diese Person gebannt wird, wird die auch automatisch bei den anderen 70 Streamern gebannt, damit die überhaupt nicht mehr zu uns durchdringen können.
Was ich immer wichtig finde, ist eine Vertrauensperson. Ich hatte in der Schule zum Beispiel eine ganz tolle Lehrerin, bei der ich mich immer geborgen gefühlt habe, was mir später im Beruf fehlte. Der Lehrer um den es im Speziellen geht, war natürlich sehr gut befreundet mit dem Rektor und da hat mir die Lehrerin sehr geholfen, weil sie selbst auch schon die Erfahrung hatte von ihm belästigt zu werden.
Es wäre klasse, wenn es eine neutrale Ansprechperson in jedem Betrieb gäbe, auch für Männer, die sich dafür einsetzt, dass sowas nicht passiert.
„Ihr dürft euch nicht von den Plattformen oder den Menschen abhängig machen“
MeinMMO: Zum Abschluss habe ich noch eine Frage. Wir wissen, dass wir nicht auf dem Ponyhof sind und ein idealer Zustand noch lange nicht erreicht ist. Was würdest du jetzt einem jungen Menschen raten, der als Content Creator durchstarten will, egal ob männlich, weiblich oder nicht-binär, um sich selbst vor Missbrauch zu schützen?
Jasmin: Macht eure Ausbildung fertig.
Es ist ganz wichtig, dass ihr eure Schule oder euer Studium abschließt. Social Media kann schnell wegfallen. Es ist so wichtig, dass ihr nicht an dem Punkt seid, dass ihr das Gefühl habt eure Ausbildung dafür aufgegeben zu haben und jetzt wirklich alles für die Gaming-Karriere tun müsst. Der Gedanke fällt dadurch schon mal weg, falls es mit YouTube oder Twitch nicht klappt und ihr wieder in den Alltag zurück könnt. Ihr dürft euch nicht von den Plattformen oder den Menschen abhängig machen. Ich habe einen Kumpel, der hat damals seine Schule abgebrochen und war irgendwann gezwungen auch Kampagnen anzunehmen, die er gar nicht machen wollte. Der brauchte einfach das Geld und hatte Angst, weil er keinen Schulabschluss hat.
Wichtig für euch als Männer ist noch zu wissen: Ich als Frau kann meiner Community, wenn es kleine Mädchen oder kleine Jungs sind, ein Herz schicken, wenn sie mir schreiben. Wenn ich ein Junge oder ein Mann wäre, käme das seltsam rüber. Das heißt, ihr müsst aufpassen, wie ihr Leuten aus der Community antwortet. Das ist etwas, das mir meine Managerin beigebracht hat. Wenn man ein Mann ist, sollte man einem 13-jährigen Fan nicht unbedingt ein Herz schicken oder niedlich mit denen schreiben, weil einem das als Mann immer anders ausgelegt werden kann. Da habe ich als Frau einen Vorteil.
Vor allem gilt aber, dass ihr euch treu bleiben solltet. Viewer und Klicks sind nicht alles. Habt keine Angst an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn euch jemand droht und lasst euch nicht alles bieten. Macht es öffentlich, wenn euch jemand ein unmoralisches Angebot macht und hört nicht darauf, wenn jemand euch sagt, dass ihr euch nicht so anstellen sollt. Die meisten werden euch zuhören und euch glauben, wenn ihr einen Beweis habt.
Lasst euch niemals einschüchtern.
Author: Timothy Hall
Last Updated: 1702810203
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